Aus der Waldstrategie 2020: In den letzten 40 Jahren haben sich die Bestände der heimischen Schalenwildarten bundesweit, gemessen an den jährlichen Jagdstrecken, kontinuierlich vermehrt. Bei Rotwild um 50%, bei Rehwild um 100%, bei Schwarzwild und Damwild sogar um 500%.
Das Erzgebirge durchlebte eine ähnliche Entwicklung. Erst ab den 1960er Jahren begann unter kommunistischer Anleitung eine massenhafte Vermehrung der begehrten Geweihträger, um große wie kleine Parteigenossen regelmäßig auf einen passenden Hirsch führen zu können. Devastierte Wälder waren – und sind nach wie vor – die Folge.
Diese Extremsituation mag sich heute bestenfalls kleinflächig ausgeglichen haben. In der Regel werden jedoch landauf und landab Kulturen gezäunt oder mittels Chemikalien gegen Verbiss geschützt, damit sie überhaupt eine Chance gegen Reh und Hirsch haben. Die Bundeswaldstrategie definiert diesen Zustand nüchtern:
“Es besteht regional ein erhebliches Defizit zwischen dem gesetzlichen Auftrag und der praktischen Erfüllung [Anmerkung: Erfüllung des Jagdgesetzes].”
Es finden sich darin aber auch Ansätze zur Lösung dieser Defizite:
“Die Wildbestände sind so zu regulieren, dass eine natürliche Verjüngung aller Hauptbaumarten ohne Zaun möglich wird. Die Abschusspläne sind im Hinblick auf das Management der Schalenwildpopulationen an die regionalen/örtlichen Gegebenheiten anzupassen.”
und etwas spezifischer folgt:
“Die Effektivität und Effizienz der Bejagung soll unter Berücksichtigung der Eigentümerinteressen weiter gesteigert werden.”
Effizienz. Ein Schlagwort, das wir in der Vergangenheit mehrfach bei der Bejagung, speziell bei der Ausführung von Drückjagden, einforderten.
Allein die Planung zur Umsetzung der Ziele der Bundeswaldstrategie ruft jedoch konstant die örtlichen Jägerschaften auf die Barrikaden. Ein Beispiel: In Brandenburg ist jeder zweite Jungbaum aufgrund der hohen Wilddichten geschädigt. Die Landesregierung möchte diesen Zustand, zukünftig, ändern. Man redet bisher nur von der Planung. Die sofortige Reaktion der Jägerschaft: ‘der Rothirsch sei stellenweise schon ausgerottet’. Lesen Sie dazu den Artikel der Märkischen Oderzeitung. In der gleichen Zeitung finden sich jedoch auch Artikel aus der jüngeren Vergangenheit, in denen Bauern regional eine “existenzbedrohende” Zunahme von Wildschäden durch, namentlich den Rothisch, beklagen (Artikel 1, Artikel 2).
Beispiel zwei: das Erzgebirge. Wir hatten bereits in der Vergangenheit darüber berichtet. Obwohl in den Abendstunden Rudel mit bis zu 100 Stücken und teilweise mehr auf den Wiesen in den Kammlagen zu sehen sind, geht der Streit bis heute weiter: Artikel der Freien Presse. Karsten Bergner, Vorsitzender der Hegegemeinschaft Erzgebirge, verkündet heute in der Printausgabe den Zusammenschluss der vier südlichen Hegegemeinschaften zur ‘Interessensgemeinschaft südsächsischer Hegegemeinschaften.’ Seine PR-Agentur, die Freie Presse, gibt die Artikel gewohnt unreflektiert weiter. Beachten Sie auch das ökologische Verständniß des Redakteurs: das Stück Rotwild in der Onlineausgabe ist – wiedermal – mit einem Reh bebildert.
Beispiel drei: im Landeswald Nordrhein-Westfalens wurden im Winter des letzten Jahres zwei Ansitzdrückjagden in einer 130 Hektar großen, gezäunten aber geöffneten, Fläche durchgeführt. An dieser Jagd beteiligt waren acht Jäger, vier Treiber und keine Hunde. Keiner der Hochsitze befindet sich in unmittelbarer Nähe der breiten Ausgänge. Soweit nichts besonderes, jedoch hat der Landesjagdverband noch den bitteren Nachgeschmack des neuen ‘ökologische Jagdgesetz’ im Gaumen und witterte eine öffentlich wirksame Kampagne, da der Chef der Landesbetriebes Wald und Holz NRW an den Jagden teilnahm. Der Landesjagdverband forderte schließlich den Jagdscheinentzug für alle beteiligten Jäger.
Der Karsten Bergner Nordrhein-Westfalens heißt Karlheinz Busen. Er ist in seiner Funktion als Interessensvertreter industrieller Trophäenjäger leichter an seiner Parteizugehörigkeit zu erkennen: er ist jagdpolitischer Sprecher der FDP. Sein Vorwurf:(Artikel auf der Seite natürlich-jagd.de):
“Es geht nicht um die Effizienz des Tötens, sondern um die Bewahrung eines natürlichen Gleichgewichts.”
Da ist sie wieder, die Effizienz. Genau die hatte die Bundeswaldstrategie doch bei der Jagd gefordert. Übrigens 2011, als seine Partei Koalitionsmitglied war. Als Jagdpolitischer Sprecher sollte man das eventuell wissen. Aber es geht noch besser:
“Das massenhafte Abschlachten auf Großjagden ist keine echte Alternative zur gezielten Jagd auf alte und kranke Tiere.”
Spätestens jetzt sollte sein Abdriften in das Jägerlatein offensichtlich werden. Dieses Jagdverständniß – so edel es auch klingen mag – kann der Mensch als Jäger gar nicht leisten. Es ist durch Knochenmarksanalysen gar widerlegt, dass der Mensch vorwiegend alte und kranke Stücke erlegt. Der Wolf hingegen macht das. Er wäre ein guter Heger. Aber ihn kann der Landesjagdverband ja auch nicht leiden.