Die Diskussion um die Drückjagden im mittleren Erzgebirge

Rückblick

Am 11. Oktober findet die Ansitzdrückjagd im Revier Steinbach (Forstbezirk Marienberg) statt. Es kommen rund 100 Schützen, die 12 Stücken Rotwild zur Strecke bringen werden. Mit dabei ist die Lokalpresse. Zwei Tage später erscheint der Artikel “Auf der Pirsch am goldenen Oktobermorgen” in der Freien Presse. Es ist eine belanglose Schilderung eben dieser Jagd. Der Forstbezirksleiter, der Treiberführer und der Revierjäger kommen zu Wort, es wird auf die Schäden durch das Wild hingewiesen, die damit die Jagd notwendig machen. Bisher nichts besonderes.

Zwei Wochen später meldet sich Robert Jemlich zu Wort. Er kritisiert in einem Interview die Bejagung des Rotwildes und bezieht sich dabei unter anderem auf die Jagd im Revier Steinbach. Nach seiner Einschätzung wird das Wild “streckenweise bis zur Ausrottung bejagt”. Seine Schlussfolgerung ist so einfach wie naiv: die Forstwirtschaft müsse ein ‘Stück des Kuchens abgeben’, würde man dem Rotwild mehr Ruhe gönnen, so würden sich auch die Schäden bald verringern.

Am 5. Dezember stößt – erstaunlicherweise – ein Naturschutzverband, der Kreisverband Mittleres Erzgebirge des Naturschutzbundes (Nabu), in dieses Horn. Auch deren Vorsitzender Bernd Seifert meint, dass eine Verringerung der Bestände gegen Null in Kauf genommen wird. Weiter führt er aus, dass nach seiner Einschätzung im Staatswald die Rothirsche mancherorts vollständig verschwunden seien.

Worüber streitet man sich eigentlich?

Das Revier Steinbach hat einen jährlichen Abschlussplan von 120 Stücken Rotwild. Kann dieser Plan konstant gehalten und erfüllt werden, entspricht diese Stückzahl mindestens dem jährlichen Zuwachs des Wildes. Unterstellt man ein Geschlechterverhältnis von 1:1 und 80% Zuwachs bei den weiblichen Tieren, ergibt sich ein Ausgangsbestand von 300 Stücken. Auf der Fläche Steinbachs sind das etwas mehr als 15 Stück Rotwild pro 100 Hektar.

Wie ist diese Zahl einzuordnen? Selbst die konservative Jagdpresse nennt für Rotwild einen Zielbestand von 2 – 4 Stücken auf 100 Hektar im Wald, bei Waldumbauflächen tendenziell weniger. Unterstellt man, dass das Erzgebirge klimatisch hartes Terrain für das Wild darstellt, die sauren Böden und öden Fichtenreinbestände nur wenig Äsung bieten und gleichzeitig ein Umbau der Fichten in einen gesunden und zukunftsfähigen Bergmischwald angestrebt wird, so sollte man sich zumindest an der unteren Grenze dieser Dichte orientieren: zwei Stück Rotwild auf 100 Hektar.

Unter diesen Gegebenheiten erscheint es absurd, dass Jäger und Naturschutz eine Ausrottung des Wildes unterstellen, wenn der tatsächliche Bestand mehr als dem Siebenfachen der verträglichen Dichte entspricht. Dementsprechend sieht der Wald auf dem Erzgebirgskamm in manchen Revieren aus: nicht nur Tanne und Buche fallen dem Wild zum Opfer, selbst die Hauptbaumart Fichte, die mit ihren spitzen Nadeln nur wenig attraktive Äsung darstellt, muss geschützt werden.

 Resumee

Über den Zustand des Waldes verlieren weder Robert Jemlich noch Bernd Seifert ein Wort. Man liest auch nicht darüber, dass die Fichte durch den Klimawandel in 100 Jahren keine Option mehr sein wird und auch schon lange keine mehr ist. Muss bereits heute aufwändig jede Käferfichte entfernt und aufgearbeitet werden, damit es im Erzgebirge nicht so aussieht wie im Nationalpark Bayerischer Wald. Das Erzgebirge braucht einen gesunden Bergmischwald, der sich nur etablieren und halten kann, wenn das Wild in verträglichen Dichten gehalten wird. Das die Präferenzen eines Jäger anders liegen ist irgendwo im Hinterkopf noch verständlich, dass es beim Naturschutzbund keiner besser weiß hingegen eine Blamage.

Es ist die Aufgabe der Presse, diese Sachverhalte zu recherchieren. Jedoch bereits die Ausführungen im ersten Artikel darüber, dass Rehwild angeblich Rinde schälen würde, und die Bebilderung der Rotwildschäden mit einer Ricke im zweiten Artikel, schüren den Verdacht, dass sich die Verantwortlichen bei der Freien Presse nicht einmal über den Unterschied zwischen Reh und Hirsch bewusst sind. Nach gleichem Ansatz wird auch die subjektive und unfundierte Meinung einer jeden Person unkritisch abgedruckt. George Orwell sagte einmal, dass Journalismus Dinge beinhaltet, die jemand anderes nicht gedruckt sehen will – alles andere ist Lobbyarbeit. Vielleicht sollte man sich daran in Zukunft wieder ein Beispiel nehmen.