Filmtipp: Die Reportage (NDR) – ‘Zum Abschuss freigegeben’

Nicht nur in Sachsen streiten sich Forst und Jäger um das Rotwild: Im niedersächsischen Harz gibt es derzeit soviel Rotwild wie nie zuvor. Der Bestand wird mittlerweile auf 6000 Stück geschätzt, vor zehn Jahren waren es nur etwa gut die Hälfte. Die Niedersächsischen Landesforsten beklagen die steigenden Schäden und wollen dementsprechend den Abschuss anheben. Doch dieser Plan wurde ohne den örtlichen Jägerstammtisch gemacht. Trotz der aktuellen Bestandesentwicklung sehen diese nämlich schon die Ausrottung der Wildart bevorstehen.

zumAbschuss

Wir zollen den niedersächsischen Förstern unseren Respekt für ihre asketische Lebensweise. Der schlimmste Vorwurf an deren Verhalten scheint das Fernbleiben vom anschließenden Erlegerbier zu sein.


Links: Artikel zur aktuellen Bestandesentwicklung, NDR Reportage

Rotwildproblematik, made in Germany?

Wieviel Rotwild verträgt der Wald? Seit dem Jahreswechsel ist diese Frage in Sachsen neu entbrannt. Hegegemeinschaften und Kreisjagdverbände stempeln die Reduktionsabsichten der Forstbetriebe als wirtschaftliche Profitgier ab und argumentieren, dass hohe Wilddichten doch in anderen Ländern zum Wohle aller Beteiligten möglich wären. Ist dieses Problem also ein rein deutsches? Wir werfen einen Blick auf Schottland, wo Rotwild fast flächendeckend vorkommt. „Rotwildproblematik, made in Germany?“ weiterlesen

Presseschau: Die Grüne Aktion Westerzgebirge e.V. verteidigt die Reduktion des Rotwildes

Jörg Richter und Christoph Irmisch vom Naturschutzverband Grüne Aktion Westerzgebirge haben diese Woche den Vorstoß des Marienberger Forstbezirkleiters zur Rotwildjagd verteidigt. Sie erinnern daran, dass ein erfolgreicher Waldumbau mit Rotbuchen und Weißtannen nur gelingen kann, wenn die jungen Bäume nicht vom Wild verbissen werden. In den Bezirken Marienberg und Neudorf sei dies ohne Zaun jedoch noch nicht möglich. Als positives Beispiel nennen sie den Forstbezirk Eibenstock, der auch bundesweit als herausragendes Beispiel gelte.

Die Grüne Aktion Westerzgebirge kontert damit den offenen Brief der Rotwildhegegemeinschaft Erzgebirge sowie der Kreisjagdverbände Marienberg, Zschopau und Annaberg. Obwohl der Rotwildstreit sich weitestgehend auf die dortigen Lokalausgaben bezog, hat die Freie Presse die Reaktion des Naturschutzverbandes jedoch scheinbar nur in den Lokalausgaben Schwarzenberg und Aue abgedruckt.

Link: Freie Presse – Naturschützer verteidigen Abschuss von Rotwild
Update (21. Februar): Der Artikel steht heute auch in der Zschopauer Regionalausgabe

Leserkommentar zum Beitrag “Kein Ende bei der Diskussion um die Rotwildjagd”

Carsten Geißler, auf dessen Interview mit der Freien Presse wir uns im Artikel “Kein Ende bei der Diskussion um die Rotwildjagd” bezogen, hat uns einen Leserbrief geschrieben. Er erklärt darin, dass wir die Zitate des Herrn Dr. Wölfel entgegen dessen eigentliche wissenschaftlichen Ansichten in den Text eingebaut hätten. Zur Untermauerung listet Carsten Geißler eine Reihe weiterer Zitate des Wildbiologen auf. Wir nehmen dazu Stellung. „Leserkommentar zum Beitrag “Kein Ende bei der Diskussion um die Rotwildjagd”“ weiterlesen

Kein Ende bei der Diskussion um die Rotwildjagd

Das neue Jahr beginnt so wie das alte Jahre endete – die Lokalpresse im Erzgebirge ist durchsetzt von umgeschriebenen Pressemeldungen Artikeln über die Rotwildjagd im Forstbezirk Marienberg. Den Anfang machte noch am 30. Dezember ein offener Brief der Vorsitzenden des Hegerings Erzgebirge sowie der Kreisjagdverbände Marienberg, Zschopau und Annaberg. Sie kritisierten den Forstbezirk Marienberg und fordern zur Schadensabwehr äsungsverbessernde Maßnahmen wie Winterfütterung und das Zulassen gewohnter Wanderbewegungen. Denn, die Autoren haben auch eine simple Lösung der Probleme zur Hand, das Rotwild träte zur Nahrungsaufnahme aus dem Wald in offene Landschaft und schädige somit keine Bäume. Jahrezentelange Forschung von Wildbiologen hätten dies bestätigt, die Deutsche Wildtier Stiftung würde dies ebenfalls empfehlen.

Tatsächlich schreibt der Wildbiologe Dr. Helmuth Wölfel allerdings für das Symposium der Deutschen Wildtier Stiftung, dass in der Steiermark, wo Wintergatter mit Fütterung an der Tagesordnung sind, gleichzeitig die höchsten Schälschäden in Österreich quantifiziert wurden. Auch erscheint es generell fragwürdig, warum ein ‘Wildtier’ gefüttert werden sollte. Einerseits wird dadurch die geforderte natürliche Abwanderung in tiefere Lagen unterbunden, andererseits stellt der Winter einen natürlichen Selektionsfaktor dar. Es würde auch niemand dieser Jäger auf die Idee kommen, den Rotfuchs im Winter mit Steaks zu füttern. Darüber hinaus bleibt offen welche Schuld der Staatsforst trägt, wenn Rotwild nicht in’s Offenland hinaustritt, weil ihm dort ebenfalls nachgestellt wird. Diese Feldreviere sind nicht in der Hand des Staatswaldes, sondern laufen unter der Regie von Privatjägern. Wahrscheinlich solche, die Unterzeichner des offenen Briefes sind.

Am 8. Januar untermauert Carsten Geißler, Vorstand der Hegegemeinschaft Osterzgebirge, die Forderungen des offenen Briefes. Er kritisiert außerdem die Durchführungen der Drückjagden im Winter als störend für den Energiehaushalt des Wildes aufgrund von Schnee und Frost.

Unabhängig davon, dass Schnee im Winter 2014/2015 ein bisher seltenes Ereignis darstellte, kann auch hier nur bekräftigt werden, dass ‘Wild’tiere durchaus an diese Umstände angepasst sind, Wolf, Luchs und Bär haben über Jahrmillionen darauf keine Rücksicht genommen. Der Wildbiologe Dr. Helmut Wölfel schreibt dazu nur profan, dass Wildtiere nicht gefüttert werden, weil es ihnen zu schlecht gehe, sondern weil es den Jägern zu gut geht.

Zum Schluss sollte man nochmals den Vorwurf der Durchführung von Drückjagden näher betrachten. Das Wild wird dabei für drei Stunden, also gerade einmal einen Vormittag, auf die Beine gebracht. Bei guter Durchführung und guten Schützen kann dabei ein großer Teil des jährlichen Abschussplanes zur Strecke kommen. Beispielsweise wurden bei der Gesellschaftsjagd im Lehrrevier 2012 knapp 40 Stück Schalenwild zur Strecke gebracht. Jeder Jäger kann aus eigener Erfahrung bestätigen, dass eine ungleich höhere Zahl an Einzelansitze nötig wären um die gleiche Zahl Rehe oder Sauen zu erlegen. Doch diese permanente Beunruhigung (Nachtansitz auf Sau, Kirrfahrten etc.) stellt dabei eine viel größere Beunruhigung des Wildes dar und sorgt dafür, dass es scheu und nachtaktiv wird. Im direkten Vergleich erscheint die Drückjagd damit deutlich störungsärmer – und folglich auch weidgerechter.

Winterliche Drückjagd im Lehrrevier. Einen vormittag wird beunruhigt, dafür liegen knapp 40 Stück auf der Strecke.  Um die gleiche Zahl über Einzelansitze zu erbringen wäre eine ungleich höhere Anzahl von Ansitzen und damit eine permanente Beunruhigung notwendig.
Winterliche Drückjagd im Lehrrevier 2012. Einen Vormittag lang wird beunruhigt, dafür liegen knapp 40 Stück auf der Strecke und für den Rest des Winters kann Ruhe einkehren.
Um die gleiche Zahl über Einzelansitze zu erbringen wäre eine ungleich höhere Anzahl von Ansitzen und damit eine permanente Beunruhigung notwendig.

Dass die aktuellen Zahlen eher von einer Überpopulation des Rotwildes im fraglichen Gebiet sprechen als von einem Totalabschuss, haben wir bereits in einem früheren Artikel vorgerechnet. Es bleibt demnach zu hoffen, dass der Forstbezirk weiterhin am Ziel des Waldumbaus unter angepassten Wilddichten festhalten wird. Denn der Umbau der Fichtenreinkulturen in zukunftsfähige Bergmischwälder ist tatsächlich ein Aspekt, den wir den uns folgenden Generationen schuldig sind.

Die Diskussion um die Drückjagden im mittleren Erzgebirge

Rückblick

Am 11. Oktober findet die Ansitzdrückjagd im Revier Steinbach (Forstbezirk Marienberg) statt. Es kommen rund 100 Schützen, die 12 Stücken Rotwild zur Strecke bringen werden. Mit dabei ist die Lokalpresse. Zwei Tage später erscheint der Artikel “Auf der Pirsch am goldenen Oktobermorgen” in der Freien Presse. Es ist eine belanglose Schilderung eben dieser Jagd. Der Forstbezirksleiter, der Treiberführer und der Revierjäger kommen zu Wort, es wird auf die Schäden durch das Wild hingewiesen, die damit die Jagd notwendig machen. Bisher nichts besonderes.

Zwei Wochen später meldet sich Robert Jemlich zu Wort. Er kritisiert in einem Interview die Bejagung des Rotwildes und bezieht sich dabei unter anderem auf die Jagd im Revier Steinbach. Nach seiner Einschätzung wird das Wild “streckenweise bis zur Ausrottung bejagt”. Seine Schlussfolgerung ist so einfach wie naiv: die Forstwirtschaft müsse ein ‘Stück des Kuchens abgeben’, würde man dem Rotwild mehr Ruhe gönnen, so würden sich auch die Schäden bald verringern.

Am 5. Dezember stößt – erstaunlicherweise – ein Naturschutzverband, der Kreisverband Mittleres Erzgebirge des Naturschutzbundes (Nabu), in dieses Horn. Auch deren Vorsitzender Bernd Seifert meint, dass eine Verringerung der Bestände gegen Null in Kauf genommen wird. Weiter führt er aus, dass nach seiner Einschätzung im Staatswald die Rothirsche mancherorts vollständig verschwunden seien.

Worüber streitet man sich eigentlich?

Das Revier Steinbach hat einen jährlichen Abschlussplan von 120 Stücken Rotwild. Kann dieser Plan konstant gehalten und erfüllt werden, entspricht diese Stückzahl mindestens dem jährlichen Zuwachs des Wildes. Unterstellt man ein Geschlechterverhältnis von 1:1 und 80% Zuwachs bei den weiblichen Tieren, ergibt sich ein Ausgangsbestand von 300 Stücken. Auf der Fläche Steinbachs sind das etwas mehr als 15 Stück Rotwild pro 100 Hektar.

Wie ist diese Zahl einzuordnen? Selbst die konservative Jagdpresse nennt für Rotwild einen Zielbestand von 2 – 4 Stücken auf 100 Hektar im Wald, bei Waldumbauflächen tendenziell weniger. Unterstellt man, dass das Erzgebirge klimatisch hartes Terrain für das Wild darstellt, die sauren Böden und öden Fichtenreinbestände nur wenig Äsung bieten und gleichzeitig ein Umbau der Fichten in einen gesunden und zukunftsfähigen Bergmischwald angestrebt wird, so sollte man sich zumindest an der unteren Grenze dieser Dichte orientieren: zwei Stück Rotwild auf 100 Hektar.

Unter diesen Gegebenheiten erscheint es absurd, dass Jäger und Naturschutz eine Ausrottung des Wildes unterstellen, wenn der tatsächliche Bestand mehr als dem Siebenfachen der verträglichen Dichte entspricht. Dementsprechend sieht der Wald auf dem Erzgebirgskamm in manchen Revieren aus: nicht nur Tanne und Buche fallen dem Wild zum Opfer, selbst die Hauptbaumart Fichte, die mit ihren spitzen Nadeln nur wenig attraktive Äsung darstellt, muss geschützt werden.

 Resumee

Über den Zustand des Waldes verlieren weder Robert Jemlich noch Bernd Seifert ein Wort. Man liest auch nicht darüber, dass die Fichte durch den Klimawandel in 100 Jahren keine Option mehr sein wird und auch schon lange keine mehr ist. Muss bereits heute aufwändig jede Käferfichte entfernt und aufgearbeitet werden, damit es im Erzgebirge nicht so aussieht wie im Nationalpark Bayerischer Wald. Das Erzgebirge braucht einen gesunden Bergmischwald, der sich nur etablieren und halten kann, wenn das Wild in verträglichen Dichten gehalten wird. Das die Präferenzen eines Jäger anders liegen ist irgendwo im Hinterkopf noch verständlich, dass es beim Naturschutzbund keiner besser weiß hingegen eine Blamage.

Es ist die Aufgabe der Presse, diese Sachverhalte zu recherchieren. Jedoch bereits die Ausführungen im ersten Artikel darüber, dass Rehwild angeblich Rinde schälen würde, und die Bebilderung der Rotwildschäden mit einer Ricke im zweiten Artikel, schüren den Verdacht, dass sich die Verantwortlichen bei der Freien Presse nicht einmal über den Unterschied zwischen Reh und Hirsch bewusst sind. Nach gleichem Ansatz wird auch die subjektive und unfundierte Meinung einer jeden Person unkritisch abgedruckt. George Orwell sagte einmal, dass Journalismus Dinge beinhaltet, die jemand anderes nicht gedruckt sehen will – alles andere ist Lobbyarbeit. Vielleicht sollte man sich daran in Zukunft wieder ein Beispiel nehmen.